Samstag, 17. Februar 2018

Low-Carb- und Paleo-Märchen 1: Der abnehmende Fettkonsum und seine schrecklichen Folgen




Das Märchen:
In den USA waren einst, d.h. vor über 50 Jahren, die Mächtigen der Zuckerindustrie in großer Sorge: Süßwaren aller Art wurden in der Öffentlichkeit für viele Übel wie Karies und Übergewicht verantwortlich gemacht und einige Studien legten nahe, dass Zucker nicht gesundheitsförderlich ist. Immer weniger Menschen wollten deshalb noch Waren mit Zucker kaufen und den Zuckerherstellern drohte Armut und Elend.

Da kamen sie auf eine schlaue Idee: "Lasst uns doch eigene gefälschte Studien in Auftrag geben, die dem Fett in der Nahrung die Schuld für die Krankheiten der Menschen geben. Dann meiden sie Fett und weil sie ja dennoch Nahrung brauchen, kaufen sie wieder umso mehr Lebensmittel, die zwar fettarm aber voll mit Zucker sind." Und so geschah es.

Die Menschen glaubten plötzlich, dass sie ohne Probleme alles essen könnten, wenn es nur fettarm sei. Viele Produkte wurden seither als "fettarm" angepriesen und die Menschen aßen insgesamt immer weniger Fette und dafür umso mehr Kohlenhydrate. Gleichzeitig stieg ihr Körpergewicht und sie bekamen immer häufiger Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Herzinfarkt. Und wenn sie nicht inzwischen dadurch gestorben sind, leiden sie immer noch daran.

Die Wahrheit:
Ob die Zuckerindustrie in den USA oder anderswo Studien in ihrem Sinne gekauft oder beeinflusst hat, will ich hier nicht beurteilen. Leider ist es so, dass die verschiedensten Lebensmittel-Industrien Studien fördern, deren Ergebnisse dann so interpretiert werden, als seien genau die Produkte dieser Industrie unbedenklich oder sogar gesundheitsförderlich, die Produkte der Konkurrenz-Industrien hingegen gesundheitsschädlich. Die Fleisch-, Milch- und Eierindustrien sind dabei besonders notorische Studienfälscher, wie ich schon in einigen Beiträgen auf diesem Blog belegt habe.

Seit den Fünfziger Jahren haben jedoch tausende von Studien einen unzweifelhaften Zusammenhang zwischen einem hohen Konsum von Nahrungsfetten, insbesondere gesättigten Fetten einerseits und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten andererseits nachgewiesen. Es gibt sogar eine Formel, die Hegstedt-Gleichung, die angibt, um wieviel Prozent der Cholesterinwert eines Menschen steigt, wenn er so und so viel Prozent mehr gesättigte Fette mit der Nahrung aufnimmt. Diese Formel kann jeder Mensch, der seinen Konsum an gesättigten Fetten und seine Cholesterinwerte messen kann, an sich selbst überprüfen und sie stimmt einfach. Ebenso stimmt es einfach, dass das Risiko eines Menschen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt, wenn seine Cholesterinwerte steigen. Diese Zusammenhänge sind auch durch zig Studien nachgewiesen, die von unabhängigen Forschungseinrichtungen initiiert und durchgeführt wurden und bei denen die Zuckerindustrie ihre Finger daher nicht im Spiel hatte.

Sicher ist Zucker kein vollwertiges Nahrungsmittel. Es liefert nur leere Kalorien ohne Ballaststoffe oder Mikronährstoffe wie Mineralien, Spurenelemente oder Vitamine. Schon dadurch dürfte er der Gesundheit eher abträglich sein. Nur heißt das im Umkehrschluss eben nicht, dass ein hoher Konsum an Fetten nicht ebenfalls gesundheitsschädlich ist.

Fakt ist, dass die Menschen in den vergangenen Jahrzehnten, in denen sowohl Übergewicht wie auch Wohlstandskrankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu einer immer größeren Epidemie geworden sind, der Fettkonsum nicht gesunken, sondern gestiegen ist. Dies geht aus Kapitel 3 eines Welternährungsberichts der WHO, also der Weltgesundheitsorganisation der UNO, unzweifelhaft hervor: "Globale und regionale Muster und Trends im Nahrungsverbrauch".

Dort kann man in Tabelle 3 sehen, dass in den Jahren 7 bis 9 eines jeden Jahrzehnts seit den Sechziger Jahren der Fettkonsum sowohl in den Ländern der Europäischen Union als auch in Nordamerika kontinuierlich gestiegen ist. Wenn es jemals einen "Low-Fat"-Trend gegeben haben sollte, hat er in den westlichen Industrieländern jedenfalls nicht zu niedrigerem Fettkonsum geführt. Im Gegenteil kann ich aus eigener Lebenserfahrung bestätigen, dass seit den Siebziger Jahren immer mehr Junk-Food aufkam, das wie Pizza, Hamburger und Pommes alles andere als fettarm ist. Wie auf Seite 19 des WHO-Papiers zu lesen ist, sind die wohlhabenden westlichen Länder sogar die einzigen, in denen mehr als 10 Prozent der Nahrungsenergie aus gesättigten Fetten stammen. Und es sind auch die Länder mit den höchsten Erkrankungsraten für Herzinfarkt und Diabetes. Wie man nun also darauf kommen kann, dass Low-Fat verantwortlich für diese Krankheiten sein soll, wissen wohl nur die Low-Carb- und Paleo-Märchenerzähler.

Eher ist es ja so, dass ja für Low-Carber und Paleos die "Carbs", also Kohlenhydrate an allen ernährungsbedingten Malaisen schuld sein sollen, unabhängig davon, ob sie aus Junk-Food wie Pommes oder aus vollwertigen Pflanzenteilen wie Kartoffeln stammen. Dafür muss dann umgekehrt jedwedes Nahrungsfett von aller Schuld frei gesprochen und "Low-Fat" entsprechend zu einem gefährlichen Irrweg erklärt werden. Nur so lassen sich ja z.B. Speck und Eier entgegen aller wissenschaftlichen Evidenz zu gesundheitsförderlichen Lebensmitteln erklären.

Das Märchen 1 vom abnehmenden Fettkonsum in den westlichen Ländern ist damit widerlegt.